Gericht pfeift Boßelverband zurück





Boßeln

Friesensport: Boßelverein Westersander-Hüllenerfehn klagt erfolgreich gegen Auricher Verbandsspitze

Aurich So etwas hat es bei den Auricher Boßlern noch nicht gegeben. Aurichs oberster Boßelfunktionär Karl-Heinz Evers, 1. Vorsitzender des Kreisverbandes, spricht von einem einmaligen Vorgang. Er meint damit den Rechtsstreit zwischen dem Boßelverein "Liek ut" Westersander-Hüllenerfehn und dem Kreisverband Aurich vor dem Auricher Amtsgericht.

In diesem Verfahren verkündete das Gericht kürzlich das Urteil. Der Verein bekam im Namen des Volkes Recht zugesprochen. Das Gericht kippte zugunsten von "Liek ut" eine umstrittene Entscheidung des verbandsinternen Sportgerichts.

Der Fall: Ende August 2008 richtete der Kreisverband Aurich die Mehrkampfmeisterschaften aus. Bei dieser Veranstaltung sollte der Boßelverein Westersander-Hüllenerfehn Mitglieder für die Wurfstände abstellen. Dort werden Starterlisten überprüft, Ergebnisse gemessen und auf Wettkampfkarten ausgefüllt. Der Dienst begann vormittags ab 9.45 Uhr. Die Westersander Abgesandten erschienen aber erst gegen 12.45 Uhr. Mehrkampfobmann Peter Schünemann bestrafte den Verein für dieses Vergehen. Als Grundlage diente ihm der Strafenkatalog des Verbands. Die Strafe umfasste eine Geldbuße in Höhe von 75 Euro. Weiterhin wurden der ranghöchsten Boßelmannschaft des Vereins, der Männer-I-Formation aus der Kreisliga zum Ende der Saison 2008/09 zwei Pluspunkte abgezogen.

Eine folgenreiche Entscheidung: Die Männer-I-Mannschaft von Westersander-Hüllenerfehn verpasste die Aufstiegsrunde für die Bezirksklasse äußerst knapp. Ohne Punktabzüge hätte es zur Vizemeisterschaft und somit für die Teilnahme zur Relegationsrunde gereicht.

Der Verein wehrte sich. Er legte Berufung vor dem verbandsinternen Schiedsgericht ein. Sie wurde zurückgewiesen. Auch die Revision brachte keinen Erfolg. Es blieb beim Verlust von zwei Punkten. Damit gab sich der Boßelverein nicht zufrieden. Er zog vor das Auricher Amtsgericht und klagte gegen den Verband. Der Verein führte Verfahrensfehler an. Mit Erfolg.

Das Gericht schloss sich dieser Sichtweise an. Im Urteil unter dem Aktenzeichen 12 C 398/09 wurde vermerkt: "Es liegen eklatante Verstöße gegen die Verfahrensvorschriften der Sportgerichtsordnung vor."

Zwei Punkte waren ausschlaggebend. Das Strafverfahren gegen den Verein hätte mit einem Protest (beispielsweise seitens des Obmanns oder einer Mannschaft, Anm. der Redaktion) eingeleitet werden müssen, mahnte das Gericht. Einen Protest gab es aber nicht. Weiterhin forderte Richter Reinders eine mündliche Verhandlung, bevor der Obmann die Strafe festlegt. Auch diese hat es nach Ansicht von Richter Reinders nicht gegeben. Unterm Strich eine dicke Backpfeife für den Kreisverband Aurich.

"Liek ut"-Vereinsmitglied Wolfgang Albers betreute das Verfahren. Er freute sich über das Urteil. "Wir sind alle erleichtert, dass wir recht bekommen haben." Der Verein sei vor Gericht gezogen, weil er sich ungerecht behandelt fühlte, erklärte Albers auf ON-Nachfrage. Mit der Klage wollte sein Verein ein Stück Rechtssicherheit bekommen in der Frage, unter welchen Voraussetzungen ein Sportgerichtsverfahren verbandsintern ablaufen muss. Er hofft, dass der Verband die richtigen Konsequenzen aus dem Urteil zieht und das Sportgerichtsverfahren überarbeitet. Dazu wolle der Verein auch Vorschläge unterbreiten, setzt Albers auf Kooperation.

Auf ON-Nachfrage bestätigte der Vorsitzende Karl-Heinz Evers, dass der Verband vorsorglich Berufung gegen das Urteil eingelegt hat, um die Fristen zu wahren. Geht es aber nach den Wünschen von Evers, wird die Berufung fallengelassen.

"Ich persönlich akzeptiere das Urteil. Aber ich möchte nicht allein darüber entscheiden."

In der kommenden Woche tagt der Vorstand des Kreisverbandes. Er soll festlegen, ob es bei der Berufung bleibt oder der Fall zu den Gerichtsakten gelegt wird. Nach ON-Informationen gibt es im Führungsgremium der Auricher Boßler Stimmen, die sich mit der Niederlage nicht abfinden und in die Berufung gehen wollen. Für Evers ist eines ganz besonders wichtig: Rechtsstreitigkeiten vor einem ordentlichen Gericht sollen zukünftig eine Ausnahme bleiben. Deshalb schlägt er vor: "Wir werden unsere Sportgerichtsordnung in einigen Punkten überarbeiten. Nur die schwerwiegenden Fälle sollen durch einen schriftlichen Protest innerhalb einer Frist angezeigt werden. Bei leichteren Fehlern halte ich ein umfangreiches Verfahren für nicht sinnvoll." Es könne nicht sein, dass die Staffelleitungen oder Obmänner bei kleineren Vergehen, wie beispielsweise der Eintrag von falschen Ergebnissen, mit schriftlichen Protesten arbeiten müssten, gab Evers zu bedenken.

Der Verein hat zwar recht bekommen und kann sich nachträglich über den Vizetitel in der Kreisliga 2008/09 freuen. Die Aufstiegsspiele von damals werden nicht wiederholt. Der Verein macht in diesem Jahr einen neuen Anlauf. Souverän qualifizierte sich "Liek ut" für Endrunde in der Kreisliga. Dort rangiert der Verein nach drei Spieltagen mit 4:2 Zählern auf Rang zwei.


Quelle: Ostfriesische Nachrichten