Boßler sorgen in Berlin für leichtes Aufsehen





Boßeln

Pockholzkugel rollt über die Landebahn auf dem Flughafen Tempelhof / 200 Friesensportler in der Hauptstadt

Friesland/Berlin Großer Andrang für die Fahrt bereits im April. Betriebs ind Freizeitsportverband Küste organisierte die Fahrt. "Die Berliner nehmen das Boßeln hin", stellten Gerold Ihnken und Hajo Janssen, beide Lehrer am Oberstufenzentrum für Banken und Versicherungen, vor über 20 Jahren zufrieden fest, als sie im Spandauer Forst auf einem britischen Grenzsicherungsweg ihrem aus der Heimat vertrauten Sport erstmals nachgingen. Einst wies sie sogar ein DDR-Grenzsoldat von seinem Wachturm aus darauf hin, wo ihnen ihre Kugel abhanden gekommen war, und nach wie vor werfen einige Berliner die Kugeln zurück. Ihnken, im Waldschlösschen Addernhausen aufgewachsen, und der Carolinensieler Janssen, der demnächst der Ruhe wegen in die alte Heimat zurückkehren möchte, überzeugten inzwischen 40 Kollegen vom Friesensport und nehmen regelmäßig an den großen Boßelveranstaltungen des Betriebs- und Freizeitsportverbandes (BFSV) Küste teil. Eine große Freude war es für die beiden, nun etwa 160 Mitglieder, Freunde und Förderer des BFSV sowie Boßelverbandsfunktionäre auf dem seit zwei Jahren stillgelegten Flughafen Tempelhof begrüßen zu können, wo die Berliner alles organisiert hatten und zur Begrüßung die "Berliner Luft" erklang. Im multikulturellen Berlin gehören künftig Ausdrücke wie "Free weg" oder "Lat’n rulln" zum Wortschatz. Janssen und Ihnken sind aber nicht die einzigen Berliner Bekanntschaften des BFSV-Vorsitzenden Johann Michels-Lübben, dessen Engagement hoch geschätzt wird. Der Jeveraner begrüßte auch sieben Mitglieder des 1926 gegründeten Ostfriesenvereins Berlin mit ihrer stellvertretenden Vorsitzenden Elvira Neunaber, die von September bis Mai 14-tätig auf Tempelhof ihrem Sport nachgehen, und eine sechsköpfige Gruppe der Landesvertretung Niedersachsens, angeführt vom Exil-Norddeicher und Dienststellenleiter Dr. Ole Janssen, der zu Weihnachten in der alten Heimat mit Schulfreunden boßelt.


Die Hauptstadtpresse beschränkte sich jedoch weitestgehend auf das Hinnehmen des Boßelereignisses, das mit einem symbolischen Anwurf vor dem Brandenburger Tor begann und bei traumhaftem Wetter alle begeisterte. Eine junge Berlinerin blieb stehen und fragte, ob sie die Kugel einmal anheben dürfte, ansonsten nahmen die Passanten auf dem Flugfeld, die mit Lenkdrachen und Hunden unterwegs waren, mit großstädtischer Gelassenheit die für sie unbekannte Sportart zur Kenntnis. Den meisten Spielern der 21 Mannschaften ging es um das pure Vergnügen. Einige Vereinsboßler wie der Wiefelser Johann Janssen vom dortigen Klootschießer- und Boßelverein "Free weg", Andrea Hinrichs von "Fleu herut" Neustadtgödens oder Fritz Schimmelpenning aus Schweinebrück, letztere beide in Trainingsanzügen und Sportschuhen, zeigten den Amateuren, was ein richtiger Wurf aus dem Oberkörper heraus ist. Allen Teilnehmern machte der sonnige Herbstnachmittag viel Spaß. Ebenfalls angereist waren vier Vorständler des Elternvereins für krebskranke Kinder und ihre Familien Friesland/Wilhelmshaven/Harlingerland, Vertreter der Volksbank Jever und des Friesischen Brauhauses. Einen weiten Weg hatten die 17 Boßler aus Wehrbleck in der Grafschaft Diepholz. Sie hatten den Sport vor 30 Jahren vom Buten-Ostfriesen Dirk Ommen aus Neuwesteel gelernt und treffen sich jeden Sonntag zum Sport. Die Reise lohnte sich für sie, denn die Gäste aus Wehrbleck erreichten den vierten Platz (30 Schoet/zwölf Trä). Und als ob das Boßeln damit noch nicht weit genug verbreitet wäre, waren auch elf "Treppenterrier" aus Bockenem dabei, die zu Hause in der Feldmark ebenfalls regelmäßig die Pockholzkugel rollen lassen. Michels-Lübben war die Begeisterung anzusehen, den Friesensport mit über 200 Personen in Berlin zu vertreten, und wünschte sich, dass sich bayerische Fingerhakler daran ein Beispiel nähmen. Gewonnen hat schließlich die Gruppe Friesland 16 um Andreas Eilers mit 28 Schoet und 66 Trä, den zweiten Platz errang Friesland 21 mit Arnold Frerichs (28/55), Dritte wurde Friesland 20, angeführt vom "Bären von Ellens", Hans-Georg Bohlken (29/25). Schon im April gab es für die Fahrt ein großen Andrang, so dass ein dritter Bus gebucht wurde. Die Reisenden genossen nicht nur das dreistündige Boßeln zwischen Lenkdrachen und Hundeauslauf auf der breiten, aber unebenen Fläche. Sie bestaunten auch den Blick von der Reichstagskuppel auf die unendliche Stadtlandschaft und die Ausbaupläne der Hauptstadt anhand eines Modells der Bauverwaltung. Nach einem bedrückenden Rundgang durch das Staatssicherheitsgefängnis Hohenschönhausen und einem Stopp auf einem Kürbishof zwischen Potsdam und Brandenburg ging es in die Heimat zurück.

Quelle: Jeversches Wochenblatt