Boßelkugeln: Eine Wissenschaft für sich





Boßeln

Nur zwei Firmen dürfen die vom Klootschießerverband zugelassenen Kugeln herstellen / Echte Pockholter nur zur Dekoration

Ostfriesland. Vier Punkte hat sie, ist aus rotem Gummi und sogar patentrechtlich geschützt. Es geht um die Boßelkugel, genau genommen um die "Vier-Punkt-Gummikugel". Der Friesische Klootschießerverband (FKV) besitzt Patentrechte für das runde Gummi und vergibt Lizenzen für die Herstellung. Neben der Gummikugel erlaubt der FKV den Einsatz der schwarzen Kunststoffkugeln, die die traditionellen Wurfgeräte aus Pockholz ablösten. Zwei Firmen dürfen die "offiziellen" Kugeln produzieren, eine davon heißt van Dorn und hat seinen Sitz in Wilhelmshaven, die andere befindet sich in Dietrichsfeld und wird von Gerhard Fabricius betrieben. Während der Oldenburger Landesverband seine Kugeln primär in Wilhelmshaven kauft, werden die Ostfriesen meist in Dietrichsfeld bedient. 1980 stieg Gerhard Fabricius dort ins Boßelgeschäft ein. Er kaufte sich eine gebrauchte Drehbank und begann mit dem Abdrehen der Boßelkugeln. Der eigene Verein und Bekannte waren seine ersten Kunden. 1981 investierte er in eine Presse, mit der die ersten Kugeln gepresst wurden. Als Rohstoff diente Hartkunststoffgewebe, das in der Werftindustrie genutzt wurde. Der Rohstoff wurde als Stangenmaterial mit einer Länge von einem Meter angeliefert. Aus einer Stange stellte Fabricius acht Kugeln her. Die Ölkrise trieb die Materialkosten in die Höhe - mit der Folge, dass auch die Preise für die Wurfgeräte stark anstiegen.

Aus diesem Grund kaufte Fabricius sich eine Duroplast- Presse, die schwarzes Kunststoffgranulat bei 165 Grad in die gewünschte Form von Zwölfer-, Elfer, Zehner- und 8,5er-Boßelkugeln brachte. Dank des alternativen Rohstoffes ging der Preis deutlich zurück. In der Werkstatt von Fabricius werden nicht nur die Kunststoffkugeln, sondern auch Gummiboßel hergestellt. Fabricius entwickelte für die Produktion der roten Gummikugel ein neues Verfahren. Früher hatten die Kugeln einen Bleikern, um auf das gewünschte Gewicht zu kommen. Die zusammengeklebten Gummistücke wiesen häufig unterschiedliches Gewicht auf. Daraus resultierte ein unrunder Lauf auf der Straße. Dies wiederum führte immer wieder zu Streitereien bei den Wettkämpfen. Auf einer Messe endeckte Fabricius Gummikugeln ohne Kern mit einem Gewicht von 2 Kilogramm. Er verfeinerte das Verfahren und produzierte Gummikugeln ohne Eisenkern. Gestapelte Gummiplatten werden im Heißluftofen erhitzt und in eine Preßform gespritzt. Danach müssen die Kugeln eine halbe Stunde durchvulkanisiert werden. Fabricius stellt jährlich knapp 3000 Boßelkugeln her. Die Vereine kaufen direkt bei ihm ein. Der Vertrieb der Boßelkugeln erfolgt mittlerweile bundesweit.

Nicht vom FKV zugelassen, aber dafür schön anzusehen sind die echten Pockholzkugeln, die von Heinrich-Jürgen Eden in Mittegroßefehn hergestellt werden. "Dieses Holz ist bekannt für seine ungeheure Härte. Es wurde im Schiffsbau verwendet", berichtet Eden. Das Holz vom Guajakbaum stammt aus Südamerika. Der Tischlermeister bezieht bis zu 2500 Rohlinge pro Jahr über eine Hamburger Speditionsfirma aus den südamerikanischen Abbaugebieten Mexiko, Venezuela oder Dominikanische Republik. Eden und seine Mitarbeiter verwandeln die zylinderförmigen Stücke auf der Drehbank innerhalb von drei bis fünf Minuten in Boßelkugelrohlinge. Anschließend erfolgt der Feinschliff, bevor die Wurfgeräte zwei- bis dreimal lackiert werden. "Das Drehen ist Gefühlssache. Das lernt man nicht von heute auf morgen", sagt Eden. Jede Holzkugel habe ihren eigenen Charakter und sehe anders aus. Seit mehr als 30 Jahren beschäftigen sich Eden und zuvor sein Vater mit der Produktion von Pockholzkugeln. Sie stehen bei Touristen hoch im Kurs, dienen als Geschenk bei Jubiläen und Geburtstagen.

Quelle: Anzeiger für das Harlingerland