Familie Jessen-Witt fährt zur Boßel-Europameisterschaft





Boßel - EM

Mutter, Tochter und Sohn aus Uelvesbüll freuen sich schon auf die Wettkämpfe in Holland. 30 Nordfriesen gehen ab Himmelfahrt im Nachbarland an den Start.

Boßeln - auch Klootschießen genannt - ist in vielen Teilen Europas ein beliebter Volkssport. Die regional üblichen Techniken weichen zwar zum Teil erheblich voneinander ab, das Ziel ist aber immer das Gleiche: In erster Linie geht es darum, die Kugel - den Kloot - möglichst weit zu werfen. Das Kräftemessen in dieser Disziplin ist längst auf internationaler Ebene angelangt: 1969 wurde die erste Europameisterschaft ausgetragen und seit 1980 treten Boßelsportler aus Irland, Holland und Deutschland alle vier Jahre bei einer Europameisterschaft gegeneinander an. Seit 2008 ist auch Italien dabei.

Wer sich im Stand-, Feld- oder Straßenwettkampf für die EM qualifiziert hat, gehört ohne Frage zu den Besten. Der Verband der Schleswig-Holsteinischen Boßler ist dieses Jahr mit 69 Teilnehmern dabei, darunter 30 Nordfriesen, zwölf Männer, elf Frauen, vier Juniorinnen und drei Junioren freuen sich auf einen spannenden Wettkampf. Von Himmelfahrt bis Sonntag, 8. Mai, werden sie in Ootmarsum, einem kleinen Ort in der niederländischen Provinz Twente, mit der internationalen Elite um die begehrten Europameister-Titel wetteifern.

Eine, die aus Erfahrung weiß, wie dort die Kugel rollt, ist Maren Jessen-Witt vom Boßelverein Uelvesbüll-Norderfriedrichskoog. Bereits mit Mitte 20 qualifizierte sich die Uelvesbüllerin erstmal für eine EM. Seit 1988 ist sie jedes Mal mit von der Partie, gewann unter anderem 1992 Bronze im Standwettkampf und erreichte 1996 auf der Straße einen tollen fünften Platz. Auch ihre Kinder haben schon Wettkampferfahrungen gesammelt: In diesem Jahr fährt Tochter Melina (21) gemeinsam mit ihrer Mutter nach Holland zur EM - beide starten bei den Frauen auf der Straße, während Sohn Maximilian (17) in der gleichen Disziplin bei den Junioren antritt. Große Chancen rechnen sie sich aber nicht aus: "In Irland und Italien ist das Straßenboßeln viel populärer als bei uns und bei den Niederländern nimmt das Feldklootboßeln einen hohen Stellenwert ein. Bei uns dominiert der Standwettkampf. Daher nehmen wir im Feld und auf der Straße bei Meisterschaften eher eine Außenseiter-Rolle ein", so Maren Jessen-Witt.

Nichtsdestotrotz freut sich die Familie darauf, gemeinsam mit den ebenfalls qualifizierten Team-Kolleginnen Hannah Otto und Andrea Eicke nach Ootmarsum zu reisen. Auch Marens Ehemann Dietmar und Tochter Mariana (19) fahren zur Unterstützung mit. Alle haben sich gründlich auf die Wettkämpfe vorbereitet. "Zusätzlich zu unserem Training vor Ort gehen wir zwei Mal pro Woche ins Fitness-Center", sagt Maximilian, der den Erfolg des Krafttrainings deutlich spürt: "Da ist jetzt viel mehr Druck dahinter", hat er festgestellt. Mindestens 130 bis 150 Meter Strecke muss er bei jedem Wurf schaffen, wenn er aufs Siegertreppchen möchte. "Das wird schwer", weiß auch er.

Weil aber noch mehr dazu gehört als Wurfkraft und Kondition, sind die Uelvesbüller vor zwei Wochen mit einigen anderen Straßenboßlern nach Holland gefahren, um schon mal mit der Wettkampfstrecke warm zu werden. "Man muss die Straße lesen können", weiß Maren Jessen-Witt, die vor jedem Wurf stets die Schikanen im Blick hat: das Gefälle, Kurven, Senken und - wie jetzt bei der EM - den leicht abgesetzten Fahrradstreifen am Rande der Strecke, der dem Lauf der Kugel schnell eine unverhoffte Wendung geben kann. "Das kann dann schon das Quäntchen Glück sein, das zum Erfolg führt oder ihn eben auch schnell zunichtemachen kann", meint die 53-Jährige, die gerne wieder eine Medaille mit nach Hause bringen würde, in erster Linie aber die tolle Atmosphäre bei diesen internationalen Zusammentreffen mit Gleichgesinnten schätzt. In vier Jahren wird es für die Familie nach langer Zeit mal wieder so etwas wie ein "Heimspiel" geben, denn die Europameisterschaft 2020 soll in Schleswig-Holstein ausgetragen werden. Das war schon drei Mal der Fall: 1972 und 1984 in Garding und 2000 in Meldorf.


Quelle: Husumer Nachrichten