Klootschießer in den Startlöchern





Klootschießen

Pläne für ostfriesischen Schöfelmarathon liegen griffbereit / Flüchter wollen Länderkampf

Ostfriesland "Das verflixte Wetter - es ist einfach zu warm", war sich Klootschießer Eilert Taddigs mit den Schöflern einig. Dennoch blickt Theodor Smidt, der "Schöfelpabst" Ostfrieslands, jeden Tag in den Himmel und studiert jeden Abend die Wetterberichte. "Es kann noch bis in den März hinein viel Frost geben", macht er sich selber Mut und untermauert seine Behauptung mit Erinnerungen an kalte Tage kurz vor Ostern. Seit mehr als zehn Jahren liegen die Pläne zum Ostfreesland-Schöfelloop von Timmel über das Große Meer bis nach Greetsiel und Emden in der Schublade des Architekten aus Neermoor. Unter dem Motto "Ganz Ostfriesland soll eine Eislaufbahn werden", hat er die 130 Kilometer lange Strecke über Ostfrieslands Kanäle nach dem Vorbild der holländischen Elf-Steden-Tocht zusammengestellt. Für den Fall, das sich das ersehnte Eis in diesem Jahr doch noch in Ostfriesland blicken lässt, hat Smidt alles genau geplant. "Wenn es soweit ist, geht es noch vor Sonnenaufgang um 7.30 Uhr auf dem Timmler Meer los", erklärt Smidt. Von dort aus fahren die Schlittschuhläufer über das Ayenwolder, Fehntjer und Oldersumer Tief bis in den Bootshafen Oldersum. Von dort aus geht es Richtung Emden, wo in der Kesselschleuse auf den Ems-Jade-Kanal gewechselt wird und von dort weiter bis zum Kontrollpunkt Uphusen.

Wenn die Schöfler Hinte passiert haben, schlängelt sich die Route über Osterhusen, Suurhusen und Loppersum bis zum Großen Meer. "Bis hier sind die Teilnehmer rund 50 Kilometer gefahren", rechnet Smidt vor. Nach einer Stärkung am Meerwarthaus geht es über das Marscher Tief und den Abelitz-Moordorf-Kanal zum Kontrollpunkt Wirdumer Hafen, um von dort gleich weiter zu schöfeln bis die Zwillingsmühlen in Sicht kommen und der Kontrollpunkt Greetsieler Hafen erreicht ist. Wer es bis hier geschafft hat, ist bereits 72 Kilometer auf den Kufen. Weiter geht es über die Tiefs von Pewsum, Twixlum und Larrelt zurück nach Emden, an der Kunsthalle vorbei zurück zur Kesselschleuse. Von hier aus weiter zum vorletzten Kontrollpunkt nach Simonswolde und schließlich zurück nach Timmel. Bis es soweit ist, müssen aber über mehrere Tage deutliche Minusgrade geherrscht haben. Smidt: "Wir brauchen überall mindestens 15 Zentimeter Eisstärke, dann kann es losgehen." Nicht ganz so viel Eis, dafür aber knackig gefrorene Weiden, brauchen die Klootschießer. Eilert Taddigs, Ostfrieslands Klootschießerjugendwart, wartet zusammen mit seiner Jugendmannschaft auf deren Einsatz. "Ist der Boden zu weich, kommt kein Trüll zustande", beschreibt Taddigs das Ausrollen der 475 Gramm schweren Kugel, deren 58 Millimeter dicker Holzkörper kreuzweise mit mehreren Bleibändern ausgegossen ist. Damit es zum besagte Trüll kommt, werfen die guten Klootschießer ihr Wurfgerät möglichst flach über die Weiden. "Die Hälfte ist Wurf und die andere Hälfte ist Trüll", erklärt Taddigs, der auch von den Schneefällen in den letzten Tagen wenig begeistert ist.

Die ostfriesischen Spitzenwerfer schaffen rund 150 Meter. Zu diesen Werfern gehört auch sein Sohn Dirk. Die Technik des 26-jährigen amtierenden Europameisters im Klootschießen versucht die Konkur renz seit Jahren nachzumachen und hat sogar schon Videos studiert. "Genau rausbekommen haben es die Holländer und Oldenburger bis heute nicht", freut sich Taddigs schelmisch und fügt hinzu: "Er beschleunigt den Kloot nicht nur, sondern lässt ihn auch noch in der Luft rotieren, wodurch er einen besonders guten Trüll nach der Landung hat." Zwei Tage haben die ostfriesischen Klootschießer für die Vorbereitung des legendären Wettkampfes gegen Oldenburg. "Die 48 Stunden brauchen wir auch", sagt Taddigs. Immerhin müssen alle Helfer aktiviert und Erbsensuppe für 500 Personen gekocht werden. Überhaupt braucht das Klootschießen, das nach wie vor eine Männerdomäne ist, viele helfende Hände. "Die Kokosläufer für den Anlauf, die Sprungbretter und die weitere Ausrüstung muss während des Wettkampfes immer getragen werden", so Taddigs. Unter den Boßlern sind die Klootschießer besonders angesehen.

"Es gibt im FKV-Gebiet rund 40000 Boßler, aber nur wenige gute Klootschießer", so Taddigs. Erstmals urkundlich erwähnt, wurde das Klootschießen im ältesten Landgerichtsbuch des Niedersächsischen Staatsarchivs in Aurich. In dem Werk aus dem Jahr 1510 wird über einen Vorfall bereichtet, in dem ein Gastwirt einen Kloot ans Auge bekam. Verbieten konnte das Klootschießen den Ostfriesen keiner: im 16. und 17. Jahrhundert wetterte die Kirche gegen das Klootschießen und vor allem gegen den damit verbundenen hohen Alkoholkonsum. Geldstrafen, Pranger und Gefängnis konnten den Friesensport nicht abschaffen und so besann man sich der Vorteile. In einer Enzyklopädie der Leibesübungen wurde das Klootschießen im späten 18. Jahrhundert als eines der "gesün- desten Spiele" bezeichnet. Die Zeiten in denen Knechte, die gute Klootschießer waren, bei den ostfriesischen Bauern schneller eine Anstellung bekamen, sind lange vorbei. Taddigs freut sich heute, wenn er genügend Nachwuchswerfer in ganz Ostfriesland zusammen bekommt. "Der Feldkampf Ostfriesland gegen Oldenburg ist aber nach wie vor etwas besonderes", schwärmt Taddigs sehnsüchtig und hofft auf kälteres Wetter. Dabei haben es die Klootschießer im Vergleich zu den Schöflern noch gut. Der letzte Feldkampf fand immerhin vor zwei Jahren am 14. Dezember 2002 statt.

Quelle: Anzeiger für das Harlingerland