Als die Nonnen den weißen Floh jagten

Als die Nonnen den weißen Floh jagten

Sage und Geschichte der ehemaligen Gastwirtschaft "Weißenfloh"

Wohl nicht alle Bürger der Stadt Schortens werden den Ortsnamen "Weißenfloh" unterbringen können. Aber die Älteren können sich noch erinnern: Die wenigen Häuser von "Neu-Abbickenhausen", an der Bahnstrecke Ostiem-Sanderbusch, wurden so genannt! Der Name war abgeleitet von dem alten Wirtshaus, das dort allein auf weiter Flur bis zum Eisenbahnhaus im Jahre 1871 gestanden hatte.

Mit dem Namen ist folgende Sage verbunden: "Im Kloster zu Oestringfelde war ein großer weißer Floh. Als den die Nonnen einmal wacker jagten, sprang er mit einem mächtigen Satze fort und fiel zu Schortens auf den Küster nieder, der gerade betrunken neben der Kirche lag. Der Floh mochte es aber besser gewohnt sein. Der nahm einen zweiten Satz und fiel ins Feld auf einen Stein und so hart, dass er auf der Stelle tot war. An dieser Stelle hat man später das bekannte Wirtshaus zum Weißen Floh gebaut " (L. Stracerjan: Sagen, 1909).

Eine namenkundliche Deutung findet sich bei Kirchenrat Harms (Historienkalender 1971). Nach ihm ist "Weienfloh" die falsche hochdeutsche Übersetzung des niederdeutschen Namens "Wedenflood" oder "Widenfloo", was soviel bedeutet wie (Vor-)Fluter der Wehde (=Wald). Tatsächlich fließt das Upjeversche Tief direkt hinter dem Grundstück entlang. Harms vermutet, das das Wirtshaus bereits um 1620 gebaut wurde, kurz nach Fertigstellung des Ellenser Dammes (1615), mit dem nun Jevers Hauptzuwegung nicht mehr von Westen vom Friesischen Heerweg über Cleverns kam, sondern von Süden. "Deshalb bot es sich an, an der Straße Sande-Ostiem, also am Eingang des Jeverlandes, eine Raststätte einzurichten, einen sogenannten Ausspann. Furhleute, die aus dem Reich ihre Lastwagen ins Jeverland bringen wollten, konnten für sich und ihre Gespannt Unterkunft und Verpflegung finden."

Die früheren Besitzverhältnisse liegen im Dunkeln. Harms nennt als ältesten dokumentierten Gastwirt Ortgies Jansßen, von dem sein Urgroßvater Harm Jülfs. Ahlrichs im Jahre 1798 den Krug erworben und bis zu seinem Tode 1827 geführt haben soll. In den Amtsakten von 1814 findet sich dagegen: "Weißen Floh ohne Schild. Besitzerin Johann Wilken Eden Wittwe. Das Haus steht auf Herrschafts Grunde und hat schon von jeher die Freiheit gehabt, starke Getränke zu schenken. Schriftliche Nachrichten sind darüber nicht producirt. Das Haus wird gegenwärtig von Meine Willers wirtschaftlich genutzt" (Quelle: H. Duensing, 1998). Laut Harms erbte 1827 der Sohn Jülf Ahlrichs das Elternhaus, "konnte es jedeoch nicht halten, da er seine Schwestern abfinden hatte. Er verkaufte Hauskrug mit Scheune und Garten 1832 an Hausmann Gerd Theilen zu Roffhausen für 370 Taler Gold." Jülf Ahlrichs blieb als Pächter. 1841 hatte Weißenfloh wieder einen neuen Besitzer: "Jühlf Ahlrichs, Hausmann, Wirth, Johann Behrens Taddicken, Eigner. Die Wirthschaft seit der französicschen Occupation, Zeitpacht Kruggerechtigkeit, Abgeaben für die Wirthschaft = 4 Rthlr Gold für die herrschaftliche Casse Jever, gutes Wasser, guter Keller, anderweitige Beschäftigung des Wirthes: Krämer, Bader, Schlächter."

Im Zuge der "Chaussirung" (Befestigung der Hauptverkehrswege) erhielt das Wirtshaus "Weißenfloh" noch einmal eine herausragende Bedeutung, lag es doch an der ersten im Großherzoglichen Amt Jever gebauten Staatschaussee. Diese verlief von Jever über Siebetshaus, Heidmühle, Groß-Ostiem, Sande bis zur Landesgrenze. Weißenfloh erhielt 1845 die zweite der drei Weggeldhebestellen, denn "das Wirtshaus des Jülf Ahlrichs zu weißen Floh erscheint vorzüglich geeignet, indem vor der Tielbrücke die ganze und bedeutende Passage von Rüstringen und weiter von Gödens auf die Chaussee führt. Allerdings liegt die Stätte von Siebethshaus recht nahe!" Die Entfernung zur ersten Hebestelle Siebetshaus entsprach nicht gan der sog. "Concurrenz strecke" von einer Meile = 7,5 km. Aber "der Wirth zum Weißenfloh, Juilf Ahlrichs, qualificiert sich besonders dazu, diese Aufsicht zu führen; da er, wie Großherzoglihcer Regierung bekannt ist, bereits früherhin und auch noch jetzt als Aufseher beim Chausseebau verwandt ist, und außer seiner Zuverlässigkeit eine genaue Sachkenntniß besitzt. Als Vergütung für seine Verpflichtungen erhält der Erheber 5 Prozent von dem jährlichen Ertrages des Weggeldes" (aus: Duensing, 1998). Am 28. und 29. April 1847 lief Jülf Ahlrichs sein Wirtschaftsinventar versteigern und verließ das Elternhaus. Er verstarb verarmt in Sande. Der Eigentümer Johann Behrens Taddiken verpachtete noch einmal iein Jahr lang die Wirtschaft an Gerd Ihnken, bevor er sie selbst übernahm. 1859 folte ihm sein Sohn Gerriet Peters Taddiken. Beim Bau der Großherzoglich-Oldenburgischen-Eisenbahn (eingeweiht 1871), wurde das Haus abgerissen. Die Wegegeldhebestelle wurde nach Groß-Ostiem verlegt. Einige Meter versetzt entstand aber 1874 ein Bahnwärterhaus, das im Volksmund weiterhin Weißenfloh hieß.


Ein Dankeschön an Georg Schwitters, der diese Geschichten zur Verfügung stellt.