Von der ersten Post zur ersten Apotheke

Das älteste ermittelte Foto des Hauses Jeversche Straße Nr. 4 ist eine undatierte Ansichtskarte. In dem schmucken Häuschen, 1912 von dem damaligen "Haltestellen-aufseher zu Heidmühle" Gerriet Hinrichs gebaut, befand sich die Heidmühler Postagentur. Davor war sie seit 1874 im neuen Bahnhof angesiedelt, wohl bis zum Umzug in Hinrichs Haus. Wie lange dieses Haus nun "die Post" blieb, ist unklar. Anzunehmen ist, dass, als 1920 der Uhrmacher Ernst Hinrichs das Haus erwarb, er das Erdgeschoß zumindest teilweise als Werkstatt und Laden nutzte. Ernst Hinrichs muß schon ein guter Preis für das Haus geboten worden sein, denn schon zwei Jahre später verkaufte er es an den Schortenser praktischen Arzt Dr. Anton Gossel. Dieser soll das Haus nach Erzählungen der damaligen Zeitgenossen nur gekauft haben, um die Ansiedlung eines weiteren Arztes in der Gemeinde zu verhindern. Jedenfalls nutzte er es nicht selbst. Wie lange der Uhrmacher Hinrichs noch dort wohnte, ist unbekannt. Aber fest steht, dass hier später der Juwelier Eschholz sein Geschäft hatte, wie uns unsere verstorbene Heimatfreundin Elfriede Haschen in ihren Aufzeichnungen "Aus meiner Kindheit" angibt. Nach dem Tode Dr. Gossels 1941 erbten seine beiden Kinder das Haus. 1953 verkaufte es die Tochter (der Sohn war gefallen) an den Drogisten Karl Sciuk.
Dieser eröffnete hier die zweite Heidmühler Drogerie (neben Drogerie Schütt). Einen erstrangigen Platz in der Geschichte Heidmühles sollte das Haus wieder einnehmen, als 1957 der Apotheker Georg Staal das Haus erwarb und neben der Drogerie die erste Apotheke von Schortens eröffnete. Jahrelang hatten sich Gemeinderat und Gemeindeverwaltung um eine Apotheke bemüht. Nachdem ein Urteil des Bundesgerichts im Jahre 1956 den Apothekern Niederlassungsfreiheit gewährte, veranlasste die Gemeinde Schortens sofort die Ausschreibung einer Apotheke...... und Georg Staal, "bis dahin in einer Wilhelmshavener Apotheke angestellt, fuhr mit seiner Frau über Land, auf der Suche nach einem geeigneten Ort und fand ihn in der aufstrebenden Gemeinde Schortens." (JW 19.8.1982). Nachdem von der Bezirksregierung eine vorläufige Betriebsgenehmigung erteilt worden war, wurde schnell gehandelt. Am 11. 4. 1957 kauften die Staals das Haus. Es musste erweitert und umgebaut werden, denn viele Auflagen, u.a. fünf zusammenhängende Apothekerbetriebsräume, waren zu erfüllen. Am 27.5. lag auch die endgültige Betriebserlaubnis vor. Bürgermeister Tönnies selbst kümmerte sich um die Umquartierung einer Flüchtlingsfamilie aus dem Erdgeschoß. Am 19. August 1957 wurde die "Friesen-Apotheke" eröffnet. Im Jahre 1962 wurde sie im Zuge einer Aufstockung des Hauses den erweiterten Erfordernissen angepasst und modernisiert. Sie war 15 Jahre lang die einzige Apotheke von Schortens. Georg Staal starb in diesem Jahr im Alter von 84 Jahren in dem Wissen, dass sein und seiner Frau Lebenswerk in guten Händen ist, nämlich jener ihrer Tochter, Apothekerin Georgia Jacobsen, die die Apotheke bereits 1991 übernahm.


Ein Dankeschön an Georg Schwitters, der diese Geschichten zur Verfügung stellt.