Ostiemer boykottierten Heidmühler Bahnhof

Bahnhof Ostiem war lange Zeit ein wichtiger Zusteige- und Verladeplatz

Auf dem Gebiet der Gemeinde Schortens bestand bis zum Jahr 1963 ein zweiter Bahnhof: Ostiem.

Die Großherzogliche Oldenburgische Eisenbahn (GOE) hatte hier ursprünglich sogar den größeren Bahnhof vorgesehen, aber der Heidemüller intervenierte und konnte die Verlegung des Schortenser "Hauptbahnhofs" zu seiner Mühle durchsetzen, weshalb die Ostiemer Bauern die Bahn über Jahre boykottierten. Dennoch war der "provisorische Haltepunkt Ostiem" seit der Eröffnung der Bahn im Oktober 18971 nicht unbedeutend. Er war mit fünf Weichen für die Sandverladung von Groß-Ostiem zum Hafenbau in Wilhelmshaven ausgestattet sowie mit einer provisorischen Telegraphenstation und einer Wasserhilfsstation.

Als 1875 der Sandabbau nach Heidmühle verlagert wurde, wurde auch der Bahnkörper bis auf ein durchgängiges Gleis zurückgebaut. Die funktionelle Bedeutung als Personen- und Güterbahnhof aber nahm noch zu. In Ostiem angesiedelte Wertarbeiter fuhren von hier nach Wilhelmshaven (bis 1947 stellten sie die meisten Fahrgäste). Wilhelmshavener Sonntagsausflügler stiegen hier aus und besuchten die neue, große Bahnhofsgaststätte auf der anderen Straßenseite. Die Ostiemer Bauern gaben ihren Boykott auf und lieferten ihre Milch mit der Bahn zur Molkerei Neuende. Zu der "Agentur mit Schrankenwärterdienst", die abrechnungsmäßig dem Bahnhof Heidmühle unterstand, gehörten Fahrkartenausgabe (der Schalter befand sich rechts der im Foto zu sehenden Eingangstür), Gepäck- und Expressgutannahme (die Waage war im Warteraum links der Tür), die Überwachung der Milchverladung und der Schrankendienst. Auch nach der Gründung der Molkerei im Jahre 1922 wurde wieder Milch verladen, jetzt allerdings Trinkmilch für ein Milchgeschäft in Middelsfähr (Haltestelle Mariensiel). In den 30er Jahren wurde der Bahnhof noch einmal Sandumschlagplatz, nämlich beim Abbau der Hohen Gast (im Volksmund auch "Ostiemer Alpen", von deren Höhe man auf die Dächer von Bahnhof und Zügen sehen konnte). Eine neben dem Hauptgleis fahrende Schmalspurbahn fuhr den Sand zur Baustelle einer nie fertiggestellten Bahnstrasse Sande-Wilhelmshaven. Der Bahnhof war gleichzeitg auch Wohnhaus für die Familie des jeweiligen "Agenten und Schrankenwärters". Für dieses Jahrhundert konnten die folgenden ermittelt werden: Von 1904/5 bis 1918 Diedrich Kreye Zwischen den beiden Weltkriegen hießen die Agenten Schoolmann und Stöver, danach Gaefeke und Böhling. Als 1963 Jan Böhling als letzter in den Ruhestand ging, wurde die Schranke durch eine Blinkanlage ersetzt. Jan Böhlings Kommentar spiegelte die Befürchtung und den öffentlichen Protest der Bevölkerung wider. "Wenn de Schranken wegkamt, fleegt hier de Ams un de Beenen dör de Luft!" Der Bahnhof wurde ein "unbesetzter Haltepunkt für den Personenverkehr", am 1. Mai 1982 wurde auch dieser aufgehoben. Das Haus dient heute dem ehemaligen Lokführer Günther Praß, der von 1955 bis 1985 die Strecke befuhr, und dessen Frau als idyllisches Heim.


Ein Dankeschön an Georg Schwitters, der diese Geschichten zur Verfügung stellt.