"Zitrone schon dreimal ausgequetscht"
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Schortens

Alle Unternehmer sollen zahlen / Wesselmann: "Das Leben auf Pump geht so nicht weiter"
Schortens/m - Breite Allianz gegen die Abschaffung der Gewerbesteuer. Städte, Gemeinden und Kreise haben kein Geld. Die Aussichten sind nicht rosig.Die Auswirkungen der Wirtschaftskrise spüren die Kommunen immer noch. Das jetzige Wirtschaftswunder sei zwar wie Phönix aus der Asche auferstanden, "aber die Kommunen wühlen noch in der Asche nach jedem Cent". Der Konjunkturmotor habe die finanzielle Situation der Städte, Gemeinde und Landkreise noch nicht verbessert. "Und nun noch die Gewerbesteuer abzuschaffen, das wäre fatal", dies sagte Sandes Bürgermeister Josef Wesselmann am Montagabend auf einer Podiumsveranstaltung der Gewerkschaft Verdi im Schortenser Bürgerhaus. Wesselmann: "Das Leben auf Pump geht so nicht weiter." Die kommunale Familie kämpfe ums Überleben. Es könne nicht sein, dass "von oben" immer mehr Aufgaben nach unten gegeben werden. Wesselmann gab dazu ein praktisches Beispiel: "Wir brauchen keine offizielle Norm für den Abstand zwischen Garderobenhaken in Kindergärten. Das können wir schon alleine entscheiden", versicherte der Geschäftsführer des Kreisverbandes der friesischen Städte und Gemeinden. Die Gewerkschaft "Verdi" hatte zu dieser Podiumsdiskussion außerdem Dieter Kanth, Landrat Sven Ambrosy, MdL Olaf Lies und Robert Kösling (Berlin) eingeladen. Moderiert wurde das Ganze von Gewerkschaftssekretär Michael Ramke, der das Motto des Abends "Infrastruktur in Not" erläuterte. Er hoffte, dass Kommunen nicht alles "outsourcen". Er sah einen Trend dazu, das privatisierte Aufgaben wieder ins Rathaus zurückgeholt würden.Dieter Kanth forderte einen "konjunkturunabhängige Gewerbesteuer, die alle zahlen müssten - auch Ärzte und Architekten". Für viele Menschen sei ein funktionierender Staat nicht nur ein Kostenfaktor, sondern sehr wichtig. Landrat Sven Ambrosy sah einen Investitionsstau (zehn Milliarden Euro). Dennoch lautet das Motto heutzutage in den Städten, Gemeinde und Landkreisen:


"Wir müssen sparen. Dabei haben wir die Zitrone schon dreimal ausgequetscht." Er sah in der Schuldenbremse die Gefahr, dass weitere Aufgaben von oben nach unten verlagert werden. "Das darf nicht eintreten." Mit Blick auf eine mögliche Zusammenlegung von Landkreisen sagte Ambrosy: "Aus zwei Armen machst du keinen Reichen."MdL Olaf Lies sah verschiedene Ansätze, um dort, wo die Lebenswirklichkeit stattfindet, nämlich in den Gemeinden und Städten, Geld für das Gestalten zu bekommen. Eine Möglichkeit sah Lies in der Beibehaltung der Gewerbesteuer. Andererseits sei es manchmal auch sinnvoll, ganz neue Wege zu gehen. Die 20-Euro-Erhöhung des Kindergelds hätte besser in die Kasse des Landkreises fließen können, damit hätten dann Kinderförderprogramme finanziert werden können. Kritisch sah er auch die sogenannte "Aufstocker-Leistung." "Wenn Menschen nicht vom Arbeitslohn leben können, dann ist das falsch", sagte Lies. Er fügte mit Blick auf so manches Steuergeschenk hinzu: "Ich habe noch kein Hotel gefunden, wo das Zimmer billiger geworden ist."Der Berliner Sachverständige Robert Kösling sah in möglichen Steuererhöhungen nicht den alleinigen Weg. Schon heute gebe es Gewinner und Verlierer in der kommunalen Familie. Beispielsweise würden die Städte Oldenburg und Wolfsburg anderen Kommunen in der Nachbarschaft "Aufgaben abnehmen", aber nicht das Personal. Er sagte mit Blick auf die kostenträchtige Einführung der Haushalts-Doppik: "Mehr Transparenz bringt das nicht." Die Doppik führe sicherlich manchmal zu wunderbaren Erkenntnissen: "Wenn ein Drittel einer Schule weg muss." Kösling sah in einer Zentralisierung sicherlich Vorteile, aber das gelte nicht für den ländlichen Raum. Es gebe keine heile Welt im öffentlichen Dienst: "Wir fahren auf der Felge." Jede Kommune könne sich glücklich schätzen, wenn sie eine Stadtmauer habe: Dort kann man eine "City-Maut" erheben, sagte Rösling mit Blick auf die weiterhin verbreitete Suche nach neuen Einnahmen für die eigentlich schon als pleite zu bezeichnenden Kommunen. Eine Diskussion schloss sich an.

Quelle: Jeversches Wochenblatt vom 11/17/2010